Wir hatten in den vergangenen Jahren mehrfach darüber berichtet, dass im Bereich des Schutzes von Werken der angewandten Kunst vieles in Bewegung geraten war und mehrere Gerichte Produkten wie etwa den Birkenstock-Sandalen urheberrechtlichen Schutz zugebilligt hatten. (Was ist Kunst?) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem nun eine Absage erteilt und den urheberrechtlichen Schutz von Birkenstock-Sandalen zu Recht abgelehnt.
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH hat in drei parallelen Revisionsverfahren über den Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen entschieden.
Klägerin in allen Verfahren war eine Gesellschaft der Birkenstock-Gruppe. Sie vertreibt verschiedene Sandalenmodelle. Die Beklagten boten über das Internet ebenfalls Sandalen an oder stellten Sandalen als Lizenznehmer her.
Birkenstock war der Auffassung, bei ihren Sandalenmodellen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst. Die Angebote und Produkte der Beklagten verletzten das an ihren Sandalenmodellen bestehende Urheberrecht. Sie hat die Beklagten in allen Verfahren auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Rückruf und Vernichtung der Sandalen in Anspruch genommen.
Das Landgericht Köln hatte den Klagen noch jeweils stattgegeben. Das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln) hatte die Klagen dagegen abgewiesen und einen urheberrechtlichen Schutz der Sandalenmodelle der Klägerin als Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG verneint.
Mit den vom OLG Köln zugelassenen Revisionen hatte die Birkenstock die Ansprüche weiterverfolgt. Die Revisionen von Birkenstock hatten aber keinen Erfolg.
Die geltend gemachten Ansprüche sind auch nach Auffassung des BGH unbegründet, weil die Sandalenmodelle der Klägerin keine nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind.
Das Oberlandesgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass Urheberrechtsschutz voraussetzt, dass ein gestalterischer Freiraum besteht und in künstlerischer Weise genutzt worden ist. Ein freies und kreatives Schaffen ist ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen. Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst ist – wie für alle anderen Werkarten auch – eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lässt. Die Beweislast für das Vorliegen eines urheberrechtlichen Schutzes trägt der Kläger.
Wie der BGH nunmehr bestätigt hat, hatte sich das OLG Köln sich mit sämtlichen Gestaltungsmerkmalen auseinandergesetzt, die nach Auffassung von Birkenstock den Urheberrechtsschutz ihrer Sandalenmodelle begründen. In rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung war es zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht festgestellt werden kann, dass der bestehende Gestaltungsspielraum in einem Maße künstlerisch ausgeschöpft worden ist, das den Sandalenmodellen der Klägerin urheberrechtlichen Schutz verleiht.
Fazit:
Es ist uneingeschränkt zu begrüßen, dass der BGH den urheberrechtlichen Schutz der Birkenstock-Sandalen verneint und damit den Schutz von Werken der angewandten Kunst auf ein vernünftiges Maß zurückgestutzt hat. Birkenstock und die Hersteller von vergleichbaren Produkten werden dadurch keinesfalls rechtlos gestellt. Denn es besteht für derartige Produkte die Möglichkeit eines Designschutzes oder eines Schutzes unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten.
Dr. Michael Heinrich