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Was ist Kunst? Urteile zum urheberrechtlichen Schutz von Sandalen und Möbelbausystemen

Was ist Kunst? Urteile zum urheberrechtlichen Schutz von Sandalen und Möbelbausystemen

Was ist Kunst? Urteile zum urheberrechtlichen Schutz von Sandalen und Möbelbausystemen 150 150 Heinrich Partner

Der urheberrechtliche Schutz von Werken der angewandten Kunst ist nach den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) „Geburtstagszug“ und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) „Cofemel“ und „Brompton“ in Bewegung geraten.

Zum einen geht das Unternehmen Birkenstock aktuell umfangreich auf urheberrechtlicher Grundlage gegen vermeintliche Vervielfältigungen von Sandalenmodellen vor.

Im Rahmen dieser Rechtsstreitigkeiten ist etwa das Oberlandesgericht Hamburg (OLG Hamburg) in einem einstweiligen Verfügungsverfahren im Jahr 2021 davon ausgegangen, dass die Sandale „Madrid“ des Unternehmens Birkenstock wie im Folgenden abgebildet

urheberrechtlichen Schutz genießt. Aus seiner Sicht folgerichtig hat das OLG Hamburg dann die Herstellung und den Vertrieb der nachfolgend abgebildeten Sandalen eines Wettbewerbers verboten.

Demgegenüber hat das OLG Köln entgegen der anders lautenden Entscheidung des Landgerichts Köln in der ersten Instanz vor wenigen Tagen Anfang 2024 die urheberrechtliche Schutzfähigkeit nachfolgend abgebildeten Sandalen „Arizona“ und “Gizeh” des Unternehmens Birkenstock verneint.

Aus seiner Sicht ebenso folgerichtig hat es daher ein Verbot betreffend die Herstellung und den Vertrieb der nachfolgend wiedergegebenen Sandalen eines Wettbewerbs abgelehnt.

Im Hinblick unter anderem auf die Entscheidung des OLG Hamburg hat das OLG Köln aber die Revision zum BGH zugelassen.

Zum anderen hat der BGH unabhängig von den Birkenstock fällen in einem Rechtsstreit betreffend angeblich urheberrechtlich unzulässige Vervielfältigungen des Möbelbausystems von USM Haller dem EuGH Ende 2023 verschiedene Fragen zum urheberrechtlichen Werkbegriff zur Vorabentscheidung vorgelegt. Das Möbelbausystem von USM Haller besteht bekanntlich aus zusammenschraubbaren, verchromten Stahlrohren und Baugruppen wie Einbauten, Verkleidungen und Tischen. Mit den Elementen des Möbelbausystems lassen sich unterschiedliche Objekte wie Akten- und Geräteschränke, offene oder geschlossene Korpora, Rollcontainer, Empfangstheken oder Wandverkleidungen bauen. Beispielsweise die aus der nachfolgenden Abbildung ersichtlichen Aktenschränke.

Der BGH will von dem EuGH in dem Vorlagebeschluss unter anderem Wissen, ob für die Beurteilung als Werk der angewandten Kunst lediglich objektive Vorstellungen maßgeblich sind oder der Schöpfer auch subjektiv bewusst ein Werk der angewandten Kunst schaffen wollte. Weiter wird die Frage gestellt, ob für die Beurteilung auch zeitlich nachträglich hinzugekommene Umstände wie etwa die Präsentation in Kunstausstellungen oder Museen von Bedeutung sein kann. So wird etwa das Möbelbausystem von USM Haller im Museum of Modern Art in New York gezeigt.

Die aktuellen Entscheidungen machen deutlich, dass in diesem Bereich klare Abgrenzungskriterien zwischen den einzelnen Schutzrechtskategorien, insbesondere dem Urheberrecht und dem Designrecht, fehlen. Außerdem fehlt es auch an klaren Kriterien für die Beurteilung der Schutzfähigkeit. Die von dem EuGH bislang genannten Kriterien sind Worthülsen und inhaltsleer. Ihre Anwendung durch die nationalen Gerichte ist völlig uneinheitlich.

Fazit:

Im Ergebnis hat die von dem EuGH angestrebte Harmonisierung des Werkbegriffs im Urheberrecht leider dazu geführt, das die Schutzvoraussetzungen für Werke der angewandten Kunst bis zur Unkenntlichkeit abgesenkt wurden und in der Praxis eine erhebliche und nicht akzeptable Unsicherheit herrscht. Oftmals wird das Urheberrecht in der Praxis von den Herstellern dazu missbraucht, einen ausgelaufenen Designschutz oder eine nicht bestehende wettbewerbliche Eigenart zu kompensieren.

Es ist zu hoffen, dass der EuGH und der BGH sowie die Instanzgerichte den urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst wieder auf ein vernünftiges Maß zurückführen. Das Designrecht und der wettbewerbliche Leistungsschutz bieten den Herstellern von Originalen einen sachgerechten und ausreichenden Schutz.

Dr. Michael Heinrich