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Landgericht München: GEMA gegen OpenAI: Wegweisendes Urteil zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zum Training von KI-Sprachmodellen

Landgericht München: GEMA gegen OpenAI: Wegweisendes Urteil zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zum Training von KI-Sprachmodellen

Landgericht München: GEMA gegen OpenAI: Wegweisendes Urteil zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zum Training von KI-Sprachmodellen 150 150 Heinrich Partner

Mit Urteil vom 11.11.2025 hat das Landgericht München einer Klage der GEMA gegen zwei Unternehmen der Unternehmensgruppe OpenAI im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagten wegen der unberechtigten Nutzung von urheberrechtlich geschützten Liedtexten zu Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz verurteilt.

 

Das Urteil ist nicht nur ein vorläufiger Sieg, sondern könnte auch die Entwicklung und Nutzung von KI-Sprachmodellen und anderen KI-Systemen in Deutschland und Europa nachhaltig beeinflussen.

 

Klägerin in dem Rechtsstreit ist die GEMA, eine Verwertungsgesellschaft, die Rechte an Musikwerken wahrnimmt. Gegenstand des Rechtsstreits waren Liedtexte neun bekannter deutscher Urheber, unter anderem der Liedtexte von „Atemlos“ von Kristina Bach oder „Wie schön, dass Du geboren bist“ von Rolf Zuckowski.

 

Die Beklagten gehören zur Unternehmensgruppe OpenAI und sind Betreiber von Sprachmodellen und darauf basierenden Chatbots.

 

Die Klägerin hatte den Beklagten vorgeworfen, die Liedtexte ohne Zustimmung in ihre Sprachmodelle integriert zu haben. Die Modelle seien auf Basis der geschützten Inhalte trainiert worden und könnten diese auf Nutzeranfrage nahezu wortgetreu wiedergeben.

 

Die Beklagten hatten argumentiert, dass ihre Modelle keine konkreten Daten abspeichern, sondern lediglich Muster und Wahrscheinlichkeiten aus größeren Datensätzen erlernen und auf deren Basis Outputs generieren. Zudem berief sich die Beklagte auf die Schrankenregelungen für Text- und Data-Mining im Urheberrecht, die die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zu Analysezwecken erlauben.

 

Das Landgericht München ging aber von einer unberechtigten Vervielfältigung der Liedtexte schon bei dem Training der KI-Sprachmodelle aus. Nach Überzeugung des Landgerichts München sind die Liedtexte reproduzierbar in den Sprachmodellen der Beklagten enthalten. Es sei bekannt, dass Trainingsdaten in Sprachmodellen enthalten sein können und sich als Outputs extrahieren lassen. Dies werde als Memorisierung bezeichnet. Eine solche liege vor, wenn die Sprachmodelle beim Training dem Trainingsdatensatz nicht nur Informationen entnähmen, sondern sich in den nach dem Training spezifizierten Parametern eine vollständige Übernahme der Trainingsdaten finde. Eine solche Memorisierung sei durch den Abgleich der Liedtexte, die in den Trainingsdaten enthalten waren, mit den Wiedergaben in den Outputs festgestellt. Angesichts der Komplexität und der Länge der Liedtexte sei der Zufall als Ursache für die Wiedergabe der Liedtexte ausgeschlossen.

 

Diese Vervielfältigung in den Modellen sei auch nicht durch die Schrankenbestimmungen des Text- und Data-Mining gedeckt. Zwar unterfielen Sprachmodelle grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Text- und Data-Mining-Schranken. Die Vorschriften deckten aber nur erforderliche Vervielfältigungen beim Zusammenstellen des Datenkorpus für das Training ab, nicht aber das Memorisieren und den Output.

 

Darüber hinaus stelle auch die Wiedergabe der Texte in Gestalt einer Antwort des Chatbots auf eine Suchanfrage eine unzulässige Vervielfältigung der geschützten Werke dar und greife damit in das Verwertungsrecht der Rechteinhaber ein.

 

Wichtig sind außerdem die Ausführungen des Landgerichts München zur Frage der Verantwortlichkeit für die von den Chatbots generierten Outputs. Nach Auffassung der Beklagten soll der Nutzer, aber nicht das Unternehmen selbst für die Erstellung von Outputs und damit für die Wiedergabe der geschützten Liedtexte verantwortlich sein, da diese Inhalte lediglich auf den Eingaben, den Prompts, der Nutzer basierten. Das Gericht sah dies allerdings anders. Als Entwickler und Betreiber der Sprachmodelle würden die Beklagten die Verantwortung für die Speicherung der Trainingsdaten, die die generierten Outputs prägen, tragen.

 

Fazit:

 

Für die Betreiber von KI-Sprachmodellen und anderen KI-Systemen stellt das Urteil eine erhebliche Herausforderung dar. Es stellt klar, dass KI-Anbieter nicht ohne Weiteres kostenlos urheberrechtlich geschützte Inhalte zum Training ihre Modelle verwenden dürfen.

 

Wesentlich für die Entscheidung ist, dass das Landgericht München nicht nur auf das Ausgangsmaterial selbst oder den Output abstellt, sondern auf die Memorisierung und Reproduzierbarkeit der urheberrechtlich geschützten Inhalte.

 

Daraus ergeben sich weitreichende Folgen für KI-Anbieter und Verwerter. KI-Anbieter werden somit künftig noch genauer prüfen müssen, ob und wie die Daten für das Training ihre Modelle genutzt werden. Zudem geht mit dem gesteigerten Haftungsrisiko von KI-Anbietern eine mögliche Neubewertung der üblichen weitreichenden Haftungsausschlüsse und vertraglichen Freizeichnungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Anwendern einher.

 

Außerdem könnte sich im europäischen Raum eine von dem „Fair Use-Prinzip“ in den USA abweichende Rechtsauffassung etablieren: Wer KI-Modelle dauerhaft mit geschützten Werken trainiert, muss künftig Lizenzen erwerben; eine Pflicht, die europaweit Schule machen könnte. Zugleich droht eine restriktive Auslegung urheberrechtlicher Vorgaben, der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas im Bereich der Entwicklung und Nutzung von KI-Anwendungen entgegenzulaufen und anderen Ländern oder Regionen die Gelegenheit zu geben, selbst durch flexible und privilegierende Regelungen den Rahmen für die transformative Entwicklung und Nutzung von KI-Anwendungen zu setzen.

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist wahrscheinlich, dass die Parteien noch in Berufung gehen und das letzte Wort in dieser Angelegenheit bei dem Bundesgerichtshof und dem europäischen Gerichtshof liegen wird.

 

Dr. Michael Heinrich