• Telefon: +49 69 94515630-0

Bundesverfassungsgericht: Verstoß gegen die prozessuale Waffengleichheit bei Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne vorangegangene Anhörung

Bundesverfassungsgericht: Verstoß gegen die prozessuale Waffengleichheit bei Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne vorangegangene Anhörung

Bundesverfassungsgericht: Verstoß gegen die prozessuale Waffengleichheit bei Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne vorangegangene Anhörung 150 150 Heinrich Partner

Das Bundesverfassungsgericht hatte in den vergangenen beiden Jahren mehrere Entscheidungen zur prozessualen Waffengleichheit in einstweiligen Verfügungsverfahren veröffentlich. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht unter anderem betont, dass dem Antragsgegner grundsätzlich die Möglichkeit zum rechtlichen Gehör gegeben werden müsse.

Mit einem am 11.02.2022 veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts diese Linie fortgesetzt und entschieden, dass das Oberlandesgericht Hamburg die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichem Recht auf prozessuale Waffengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz verletzt hat, indem es ohne vorherige Anhörung eine einstweilige Anordnung erlassen hat.

Das zugrundeliegende Verfahren betraf die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Das Oberlandesgericht hatte im Ausgangsverfahren ohne vorherige Anhörung der Beschwerdeführerin in einer äußerungsrechtlichen Sache eine einstweilige Anordnung erlassen. Vor deren Erlass waren mehrere gerichtliche Hinweise an die Antragstellerin des Ausgangsverfahren ergangen, infolge derer sie ihre Anträge umgestellt, ergänzt und teilweise zurückgenommen hatte, ohne dass die Beschwerdeführerin hiervon Kenntnis hatte oder ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden wäre. Dies verletzt die Beschwerdeführerin offenkundig in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit. Den wiederholten Verstoß der Fachgerichte gegen das Gebot der Waffengleichheit bei einstweiligen Anordnungen nahm die Kammer schließlich zum Anlass, auf die rechtliche Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinzuweisen.

Fazit:

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist uneingeschränkt zu begrüßen und gleichzeitig eine Ohrfeige für das Oberlandesgericht Hamburg und andere Instanzgerichte dar. Das Oberlandesgericht Hamburg hatte sich offensichtlich mehrfach über die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinweggesetzt und in Verfügungsverfahren ohne Anhörung des Antragsgegners mit dem Antragsteller Kontakt aufgenommen und diesem in offensichtlich unzulässiger Weise Hinweise erteilt. Die Gebote des rechtlichen Gehörs und der prozessualen Waffengleichheit gebieten ist, dem Antragsgegner Gelegenheit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen.

Dr. Michael Heinrich